Am 12.8. erfolgte der Startschuss zur diesjährigen österreichischen Staatsmeisterschaft im Standardschach. Gespielt werden 9 Runden im spartanischen aber zweckdienlichen Ambiente des Hauses des Schachsports neben dem Praterstadion. Trotz des Fehlens von Österreichs Nummer 1 GM Markus Ragger sowie des amtierenden Blitzschachstaatsmeisters FM Konstantin Peyrer (Zivildienst) und der kurzfristigen Absage von GM Valentin Dragnev ist die Qualitätsdichte sehr hoch. Angeführt wird die Setzliste von den anderen 3 Teammitgliedern der österreichischen Nationalmannschaft (GM Felix Blohberger, IM Dominik Horvath, GM David Shengelia), die unlängst bei der Schacholympiade im indischen Chennai den guten 23. Platz belegte.
In der ersten Runde gab es, abgesehen von einigen Remisen, nur wenige Überraschungen, die größte dafür bereits auf Brett 3, wo sich Titelmitfavorit GM David Shengelia nach einer völlig blutleeren Vorstellung mit den weißen Steinen Gerald Leitner geschlagen geben musste. Weitere Überraschungscoups landeten Philipp Scheffknecht gegen FM Johannes Steindl und Leopold Wagner gegen FM Daniel Kristoferitsch.
Der ASK Kottingbrunn ist durch einige Spieler des Landesligakaders (GM Felix Blohberger, FM Marc Morgunov, IM Mag. Dr. Gerhard Schroll, Lukas Dotzer) sowie des Bundesligakaders (GM Ilia Balinov, Paul Pilshofer, Bruno Steiner sowie Yuri und Michael Miazhynski) vertreten. Die erste Runde brachte großteils etwas durchwachsene Ergebnisse, lediglich Marc glänzte mit einem überzeugenden Auftritt (siehe Partie unten). Am nächsten kam einer Überraschung Michael, der in seiner Partie gegen FM Florian Sandhöfner bereits früh im Mittelspiel Material gewinnen konnte. In den späteren taktischen Verwicklungen fand sich allerdings Schwarz besser zurecht, schlussendlich fiel der weiße König einer offenen h-Linie zum Opfer.
Die Staatsmeisterschaft läuft noch bis zum 19.8., ein Besuch um der österreichischen Schachspitze über die Schulter zu schauen ist definitiv empfehlenswert. Vorbildlich ist aber auch die Übertragung: alle Partien werden live im Internet übertragen (Links finden sich auf der Homepage des ÖSB). Ergebnisse im Detail finden sich auf chess-results.
Nachfolgend noch ein Partiebeispiel, ein gelungener Vortrag von Marc zum Thema Initiative im Schach.
Weiß: FM Morgunov, Marc (2412)
Schwarz: Jethan, Martin Dr. (2103)
1.e4 c6 2.Sc3 d5 3.Sf3 Sf6 4.e5 Se4 5.Se2 Db6 6.d4 e6 7.Sg3 Sxg3 8.hxg3
Der Autor ist kein Experte dieser Eröffnung, aber der Raumvorteil von Weiß sowie die offene h-Linie lassen bereits jetzt einige Fragezeichen über der schwarzen Stellung erscheinen.
8…c5 9.c3 Ld7?
Laut Computer und Partiedatenbank eher kein empfehlenswerter Zug, 9…Sc6 ist besser (siehe Anmerkung nächster Zug).
10.Sg5!
Ein starker und thematischer Zug, der einen Damenausflug nach f3, g4 oder h5 ermöglicht. Zudem hängt h7.
10…Le7
10…cxd4 11.Df3! und Weiß steht bereits auf Gewinn, da f7 nicht mehr sinnvoll zu decken ist. Die einzige Partie mit dieser Zugfolge ging mit 11…dxc3 12.bxc3 Lc5 13.Dxf7+ Kd8 weiter. Kurioserweise verlor Weiß diese Partie sogar noch. Hier ist auch der Unterschied zwischen 9…Ld7 und 9…Sc6 ersichtlich: im letzteren Fall könnte 11.Df3? mit 11…Sxe5 beantwortet werden, was f7 überdeckt.
11.Sxh7 Tg8 (es drohte 12.Sf6+ mit Qualitätsgewinn auf h8) 12.dxc5 Lxc5 13.Dg4!
Ein sehr bulliger und wichtiger Zug, der den Bauer f2 mit Schach en prise lässt. Allerdings ist es von größerer Bedeutung, den Moment zu nutzen und die Initiative zu behalten, denn ließe Weiß dem Schwarzen Zeit sich fertig zu entwickeln und gegen den Bauern e5 oder mit d5-d4 im Zentrum aktiv zu werden, könnte der Anziehende trotz seines Mehrbauerns rasch in die Defensive geraten. Erneut droht 14.Sf6+ mit Qualitätsgewinn.
13…Le7
13…Lxf2+ war zwar möglich, aber auch nicht viel besser als die Partie: 14.Kd1 (für den Computer ist sogar die Kletteraktion 14.Ke2!? Lb5+ 15.Kf3! möglich) 14…Sc6 15.Sf6+ Ke7 16.Sxg8+ Txg8 17.Df4!
14.Sf6+ Lxf6 15.gxf6 g6 16.Th7 Sc6
17.Dxg6!
Ein spektakuläres Damenopfer!
17…0–0-0
Natürlich verbietet sich 17…Txg6 18.Th8+ Tg8 19.Txg8#.
Verständlicherweise verzichtet Schwarz auf das Endspiel nach 17…fxg6 18.f7+ Kf8 19.Lh6+ Tg7 20.Lxg7+ (aber nicht 20.Txg7 Ke7! und die Sache ist nicht mehr klar) 20…Kxf7 21.Ld4+ Kg8 22.Lxb6 Kxh7, und nach Wegzug des Läufers verbleibt Weiß mit gesundem Mehrbauer und Läuferpaar.
18.Dc2!
Dieser Rückzug ist quasi die Pointe des vorangegangenen weißen Spiels, zumindest in einer Partie ohne Computer. Der Damenzug überdeckt b2, richtet den Röntgenblick auf den König c8 und Weiß steht nun bereit sich mit Le3 und 0–0-0 zu konsolidieren, wonach er einfach 2 Mehrbauern hätte. Dass die Situation ohne diesen Zug nicht ganz so klar ist zeigt ein Gegenbeispiel: das gierige 18.Dxf7? wird mit 18…Se5! 19.Dh5 Sg4! beantwortet, wonach Weiß plötzlich ins Schwimmen geriete.
18…Tg4 19.Le3 d4
Auch wenn Schwarz auf dieses Bauernopfer verzichtet steht er praktisch auf Verlust.
20.cxd4 Da5+
Hier sieht man einen der Vorzüge von 18.Dc2: der schwarze Springer ist gefesselt und kann nicht auf d4 zurückschlagen. Obwohl sich die Stellung im Zentrum etwas geöffnet hat kann Schwarz keine wirklichen Drohungen erzeugen. Marc spielt die Partie leichtfüßig nach Hause.
21.Dc3 Da4 22.Le2 Tg6 23.Txf7 Th8 24.Kd2 Le8 25.Tg7 Kb8 26.Dc5
Mit der einfachen Idee, im nächsten Zug mit 27.b3 einen Damentausch zu erzwingen, wogegen sich Schwarz nicht wirklich wehren kann.
26…Txf7 27.b3! Db4+ 28.Dxb4 Sxb4 29.Lf4+ Ka8 30.Tc7!
1–0
Ein simples Finale: die beiden Drohungen 31.Tc8 matt und 31.Le5 kann Schwarz nicht beide abwehren. Schwarz gab auf.